Ölmazerate herstellen

Symbiose aus Pflanzenwirkstoffen und Ölen

Mazerate von Pflanzenteilen in pflanzlichem Öl lösen vor allem lipophile, d. h. fettlösliche Wirkstoffe der Pflanzendroge, insbesondere Carotinoide, ätherische Öle und Phytosterole. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie ein Ölmazerat herstellen können und worauf Sie achten müssen.

Für die Qualität und Intensität eines Ölmazerat sind drei Faktoren wesentlich, wobei Faktor 1 (Dauer der Extraktion) und Faktor 3 (Temperatur) in einem Wechselverhältnis stehen (je wärmer die Auszugstemperatur, desto kürzer die benötigte Extraktionszeit).

  1. Dauer der Extraktion
  2. Zerkleinerungsgrad der Pflanzendrogen
  3. Temperatur

Üblicherweise werden Ölmazerate »kalt« angesetzt, d. h. über einen gewissen Zeitraum zieht das Pflanzenöl die Inhaltsstoffe der Drogen bei Zimmertemperatur aus. Tatsächlich gibt es auch die Methode des sog. Warmauszugs, und er erhöht die Ausbeute in kurzer Zeit: Man lässt die Pflanzen für 2–3 Stunden in einem Topf simmern. Dies bietet sich z. B. für stark wasserhaltige, frische Pflanzen an, bei denen dieses Wasser beim Simmern verdunstet und sich die Schimmelgefahr verringert, oder auch für Holz- oder Rinden-Drogen. Ich persönlich nehme mir gerne Zeit und bevorzuge den schonenderen Kaltauszug.

Herstellung eines Ölmazerats

  1. Bereiten Sie das Pflanzenmaterial vor: Die Pflanzenteile müssen sauber, frei von abgestorbenen, bräunlichen, welken Stellen sein. Sie sollten sie zerkleinern, um mehr Ansatzfläche für das Öl zu bieten. Frische Pflanzen können auch angemörsert werden, um die Zellwände aufzubrechen.
    Die bekanntesten Rezepturen erfordern frische Pflanzenteile (z. B. Calendula – oder Arnikablütenblätter für Salben oder Johanniskrautblüten für das bekannte Rotöl; auch kulinarisch verwendete Öle mit Rosmarin, Thymian oder Basilikum werden bevorzugt mit frischen Pflanzen angesetzt), manche Rührer(innen) verwenden auch getrocknete Drogen. Fakt ist, dass die Schimmelgefahr bei frischen Pflanzenteilen steigt und Sie den Ölauszug gut beobachten müssen. Ich persönlich bevorzuge ihn dennoch, da er mir intensiver erscheint. Tipp: Frisches Pflanzenmaterial bis zu einem Tag anwelken lassen und dann zerkleinern und ansetzen; dies mindert die Schimmelgefahr.
  2. Die verlesenen und zerkleinerten Pflanzenteile werden mit nativem, fettem Öl übergossen und 10–14 Tage stehen gelassen. Achten Sie bitte darauf, dass alle Pflanzenteile gut bedeckt sind – hier entwickelt sich Schimmel rasend schnell. Nehmen Sie hochwertiges naturbelassenes, nicht raffiniertes und vor allem oxidativ stabiles Öl: Olivenöl, Sesamöl, Jojobaöl sind Klassiker. In Öl laufen Zersetzungsprozesse schneller ab als in alkoholischen Tinkturen, daher müssen wir einen Kompromiss finden zwischen ausreichender Extraktion der Inhaltsstoffe und einem möglichst geringen Grad an Zersetzung. Durch die Extraktion entsteht nach einiger Zeit ein Konzentrationsgleichgewicht an Wirkstoffen in der Droge und im Öl; es macht also keinen Sinn, den Ansatz wochenlang stehen zu lassen. Die vielerorts angegebenen langen Auszugszeiten von mehreren Wochen kann ich nach meinem heutigen Wissensstand nicht unterstreichen.
    Wichtig ist, dass der Ansatz mehrmals täglich (gerne mehrere Minuten) bewegt wird, um die Wirkstoffe aus dem Pflanzenmaterial zu lösen. Nach einer gewissen, erstaunlich kurzen Zeit ist ein Konzentrationsgleichgewicht der Inhaltsstoffe zwischen der Pflanzendroge und der direkt umgebenden Ölschicht erreicht. Durch das Bewegen des Ansatzes spülen Sie frisches, noch nicht mit Pflanzenwirkstoffen gesättigtes Öl um das Auszugsgut, das wieder aufnahmebereit ist. Längere Auszugszeiten oder ein zweifacher Ansatz machen daher keinen Sinn.
  3. Nach spätestens 2 Wochen wird das Öl abgeseiht. Ein Leinentuch eignet sich sehr gut dafür.
  4. Füllen Sie anschließend den Auszug in eine dunkle Flasche und beschriften Sie sie sorgfältig: Pflanzenart und Öl (z. B. »Lavendelblüten/Olivenöl«) und Abfüllungsdatum sollten nicht fehlen. Bewahren Sie das Mazerat nun kühl, dunkel und gut verschlossen auf. Ölauszüge aus frischen Pflanzen sind nicht sehr stabil und sollten innerhalb von 6 Monaten aufgebraucht werden, solche aus getrocknetem Pflanzengut innerhalb von 12 Monaten.

Hell- oder Dunkelauszug?

Manche Autoren empfehlen, das Ölmazerat in die Sonne zu stellen. Für die Herstellung von Rotöl, also einem Ansatz von Johanniskrautblüten, wird traditionell der Einfluss der Sonne für das Gelingen betont. Zerreibt man frische Blüten, färben sich die Fingerspitzen durch das enthaltene Hypericin sofort rot. Der ethanolische Extrakt ist in kurzer Zeit blutrot. Die nach Wochen bei Auszug im Sonnenlicht entstehende Färbung stammt tatsächlich von lipophilen Abbauprodukten des Hypericins (sog. Ölhypericinen), das selbst kaum noch vorhanden ist. Enthalten ist das extrem lichtinstabile Hyperforin1
Hinzu kommt, dass Olivenölauszüge nach 7–14 Tagen bei hohen Temperaturen, die im Sonnenlicht schnell erreicht werden, bereits Hinweise auf Ranzigkeit zeigen2. Öleigene Carotinoide verbrauchen sich in gleichem Maße, wie das Auszugsöl durch die Wärme oxidativ gestresst wird. Je stabiler das Öl, desto geringer ist der Abbau an wertvollen Carotinoiden im fertigen Ölauszug – daher empfehle ich Ihnen oben oxidativ stabile Öle.
Mein Rat: Bevorzugen Sie moderate Auszugstemperaturen (Zimmertemperatur) und meiden Sie direkte Sonneneinstrahlung. Leider ist viel traditionelles Wissen heute überholt und sollte, wo sinnvoll, modernen Erkenntnissen angepasst werden.

Wirkstoffauszüge für Ihre Haut

Kleine Chargen besonderer Pflanzenmazerate machen unsere Naturkosmetik zu wahren Kostbarkeiten. Bevorzugen Sie Ölmazerate (bis 50 ml) mit bevorzugt frischem Pflanzenmaterial, die Sie innerhalb von 3 Monaten aufbrauchen können. Auf diese Weise ist es möglich, auch ungewöhnliche und oxidativ nicht so stabile Öle als Auszugsöle zu nehmen. Diese Spezialöle können Sie entweder pur (z. B. abends über einem passenden Hydrolat, alternativ mit der üblichen Creme in der Handfläche vermischt), als Gesichts-Massageöl nach der Sauna oder einem Gesichtsdampfbad oder als Wirkstofföl in Emulsionen verwenden.

Tonkabohnen

Duftmazerate

Neben den kosmetisch wirksamen Ölmazeraten sind duftende Mazerate sehr beliebt. Klassiker sind Tonkabohnen- und Vanille-Mazerate: 5 Tonkabohnen bzw. 1 Vanilleschote fein zerschneiden und mit ca. 100 g Jojoba-, Mandel- oder Kokosöl auffüllen (bei letzterem muss das Mazerat bei ca. 25 °C lagern), wie oben beschrieben mazerieren, filtern und abfüllen. Es eignet sich hervorragend als Basis für Emulsionen, Body Melts, Lippenstifte, Lippenpflegestifte, Körperöle und andere kosmetische Produkte.

Quellen

  1. Ute Wölfle, Gunter Seelinger, Christoph M. Schempp: Topical Application of St. Johnʼs Wort (Hypericum perforatum). In: Planta Med 2014; 80: 109–120
  2. Michael Heldmaier: Phytochemische Charakterisierung öliger Extrakte aus pflanzlichen Drogen. Dissertation. Hamburg, 2007

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