Frisches Chiasamenöl, dekantiert

Ölqualitäten bewerten

Dossier »Öle kombinieren« · Teil 7

Es gibt unzählige Quellen für pflanzliche Öle: neben Supermarkt und Discounter bieten Reformhäuser und Bioläden Öle an, und im Internet finden sie eine Vielzahl an Online-Shops mit Ölen im Angebot. Die Auswahl ist groß und die Unsicherheit über die Qualität der Produkte auch: bedeutet »kaltgepresst«, dass das Öl naturbelassen ist? Was sind native Öle? Sind raffinierte Öle gleichwertig? Was ist CO2-Extraktion? Kann man sich bei Ölen aus »kbA« (aus kontrolliert biologischem Anbau) darauf verlassen, dass sie unbelastet sind? Sind Bio-Öle qualitativ besser als konventionell erzeugte?

Qualitätsbezeichnungen sind bisher nur für Olivenöl verbindlich festgelegt, und das macht die Auswahl eines Öls nicht leichter. Dieser Beitrag soll Ihnen eine Orientierung bieten, was hinter bestimmten Bezeichnungen steht.

Speiseöle versus kosmetische Öle?

Der erste Rat, den ich Ihnen gebe, ist: Kaufen Sie auch für Ihre Kosmetikprodukte nach Herzenslust Speiseöle.  Speiseöle unterliegen klaren, gesetzlichen Verordnungen,

Öle, die mit dem Zusatz »kosmetische Qualität« deklariert sind, sind nicht gesundheitsschädlich. Nicht selten stammen sie jedoch aus Saaten, die auf Grund mangelnder Qualität raffiniert werden müssen, weil der Anteil freier Fettsäuren und die Peroxidzahl die gesetzlichen Grenzwerte überschreitet – durch eine Raffination wird das Öl von unerwünschten Inhaltsstoffen befreit und darf  wieder vermarktet werden. Andere kosmetische Öle sind mit Fremdölen verschnitten, was leider nicht immer deklariert wird – besonders betroffen sind Mandel-, Avocado-, Oliven- und Weizenkeimöl.

Manche Händler führen Öle aus kontrolliert biologischem Anbau mit dem Zusatz »Nur zur äußeren Anwendung« oder »Nicht zum Verzehr bestimmt«. Hier sind die Gründe in der Regel juristische: Bei fehlender Biozertifizierung des Händlers (die sehr kostspielig ist) darf er keine Lebensmittel-Öle mit Bio-Siegel verkaufen. Hier eröffnet die Deklaration als Nicht-Lebensmittel die Möglichkeit, dennoch Öle aus kontrolliert-biologischem Anbau anzubieten und sich gleichzeitig einen Wettbewerbsvorteil vor den Händlern zu beschaffen, die ihren Kunden bio-zertifizierte Produkte anbieten. Allerdings fehlt ohne Bio-Zertifikat die Kontrolle durch eine zertifizierende Stelle. Fragen Sie im Zweifelsfalle den Händler Ihrer Wahl, welche Qualität angeboten wird – oder kaufen Sie direkt bei Händlern mit Bio-Zertifizierung.

CO2-extrahiert?

Ölfrüchte im weitesten Sinne offenbaren ihre »Schätze« durch mechanische Pressung mehr oder weniger schnell: Nüsse, Oliven, Mandeln, Avocado- und Jojobafrüchte garantieren durch hohen Ölanteil und geringe Härte eine relativ hohe Ölausbeute. Andere Saaten sind hinsichtlich der Ölgewinnung schwer zu nutzen, so z. B die sehr harten Kerne des Sanddorn oder Traubenkerne. Amaranthsaaten sind so fein und haben so wenig Öl, dass eine herkömmliche mechanische Pressung sehr viele Samen erfordert. Hier greift ein sehr schonendes, in der Ausbeute gutes, aber auch teures Herstellungsverfahren, das für besonders hochwertige Öle verwendet wird: Die CO2-Extraktion. Gasförmiges Kohlendioxyd wird unter hohem Druck und tiefer Temperatur verflüssigt und mit der Saat zusammen gegeben. Diese platzt unter diesen Bedingungen auf und gibt ihr Öl frei. Wird der Druck aufgehoben, verflüchtigt sich das vormals flüssige CO2 und hinterlässt rückstandsfreies Öl von hoher Reinheit. CO2-extrahierte Öle sind daher in der Regel geringeren Belastungen wie hohen Temperaturen ausgesetzt als gepresste Öle und meistens sehr hochwertig.

Ganz schön raffiniert …

… sind die meisten Öle auf dem Markt. Raffinierte Öle werden nach der Pressung mit Lösungsmitteln (Leichtbenzin, n-Hexan u. a.) extrahiert, gebleicht, desodoriert und mit Natronlauge entsäuert. Zurück bleibt ein Produkt, dass im Fettsäuregehalt mehr oder weniger, im Hinblick auf wertvolle Vitamine und Fettbegleitstoffe jedoch deutlich verändert wird: Phosphatide, Sterolglycoside, freie Fettsäuren und Carotinoide werden zu über 95 %, Sterole zu 32–61 % und Tocopherole zu 40–50 % entfernt (Fereidoon Shahidi: Nutraceutical and Specialty Lipids and their Co-Products. CRC Press, 2006, S. 545). Vorteile aus Perspektive der Industrie ist ein lange haltbares, geruchs- und geschmacksneutrales Öl. Die beiden letzten Aspekte sind vor allem deshalb wichtig, weil das Ausgangsprodukt durchaus minderwertiger Qualität sein kann, wie ich oben bereits erläuterte: Der Raffinationsprozess entfernt eben auch kritische Stoffe (wie Pflanzenschutzmittel, Schwermetalle, oxydierte freie Fettsäuren, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe usw.), die durch fehlerhafte Lagerung, konventionellen Anbau, überreifes, gärendes Ölgut, Herstellungsprozesse usw. enthalten sein können. Die Möglichkeit, in nativen Ölen erhöhte Schadstoffkonzentrationen zu finden, zeigt jedoch auch, dass diese nur bei seriösen Händlern bzw. Firmen erworben werden sollten. Dabei bleiben nur zwei Alternativen, der Kauf von Bio-Ölen oder der eines sorgfältig rückstandskontrollierten konventionellen Produkts. Mein Rat: Fragen Sie (wenn Sie das entsprechende Fachwissen haben und Analysen lesen können) die Werte, die Sie interessieren, beim jeweiligen Shopinhaber an. Händler, die ihre Öle von größeren Firmen beziehen und auch gewerblichen Kunden anbieten, sollten entsprechende Analysen und die Möglichkeit haben, z. B. den POZ- oder FFA-Wert mitzuteilen. Ebenfalls aussagekräftig sind die entsprechenden Spezifikationen. Aus ihnen können Sie ablesen, welchen Grenzwerten das Produkt unterliegt.

Nicht raffiniert?

»Nicht raffiniert« bedeutet nicht, dass das Öl nativ, also naturbelassen ist: Es kann nach der Pressung mit Wasserdampf gewaschen werden und/oder aus gerösteter Saat stammen. Verboten sind Entsäuerung, Bleichung und Desodorierung. Dieser Aspekt ist sehr wichtig: Nur native Öle sind naturbelassene Öle, auch wenn die Bezeichnung »unraffiniert« scheinbar das gleiche auszusagen scheint.

Kalt gepresst?

Ein häufig ins Auge springendes Qualitäts-Attribut für pflanzliche Öle ist die Aussage »kalt gepresst«. In diesem Zusammenhang sollten Sie wissen, dass bei jedem Pressvorgang von Saatgut Wärme erzeugt wird, die erhebliche Temperaturen erreichen kann: Je nach Härte des Saatgutes und Pressdruck können Temperaturen (im Extremfall) bis zu 170°C erreicht werden. »Kalt gepresst« bedeutet lediglich, dass während des Pressens keine Hitze von außen zugeführt wurde (das wird nämlich gerne gemacht, um die Ausbeute zu erhöhen). Leider ist der Begriff »kalt gepresst« nicht geschützt und erlaubt eine breite Auslegung; vor allem trifft er keine Aussage darüber, wo genau die Temperatur gemessen wird und was nach dem Pressen mit dem Öl geschieht. Kalt gepresstes Öl kann im Anschluss raffiniert werden, es kann auch desodoriert (mit heißem Wasserdampf behandelt) sein, es kann aus vorher gerösteter Saat stammen. Kaufen Sie Öl, das nur diese kurze Bezeichnung trägt, können Sie leider nicht sicher sein, dass Sie ein hochwertiges, natives, naturbelassenes Öl erwerben. Die Bezeichnung »kaltgepresst« gewährt jedoch preislich einen höheren Spielraum nach oben und wird daher gerne herausgestellt.

Native Öle

Anders sieht es bei der Bezeichnung »nativ« aus: Ein natives Öl darf weder vor noch während der Behandlung mit externer Wärmezufuhr behandelt werden, und es darf nach der Pressung keine weitere Bearbeitung mehr erfahren. Native Öle sind nicht raffiniert, können jedoch gewaschen, zentrifugiert oder filtriert sein. Das Desodorieren des Öls ist in diesem Falle ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung »nativ« im Vergleich zur alleinigen Aussage »kaltgepresst« ein höherer Garant für Qualität.

Nativ extra

Jetzt nähern wir uns dem Ideal. Leider ist diese Bezeichnung nur für Olivenöl gesetzlich verbindlich beschrieben. Olivenöl mit dieser Bezeichnung darf nur bis ca. 30 °C gepresst sein und erfährt keine weitere Behandlung mehr; auch ist der Anteil an freien Fettsäuren (die bei Oxidation der ungesättigten Fettsäuren entstehen, auch FFA genannt, Free Fatty Acid) mit höchstens 0,8 % festgeschrieben. Hier gibt es große Unterschiede in der Qualität der Öle. Im Hinblick auf Olivenöl zeigt sich das im Aufwand bei der Ernte und der Verarbeitung: Handgepflückte, direkt nach der Ernte verarbeitet Öle weisen geringe Werte an freien Fettsäuren auf, während Öle aus bereits vom Baum gefallenen, überreifen und in Gärung über gegangenen Oliven durch die fortgeschrittene Oxidation hohe Werte zeigen. Für den Produzenten ist es jedoch wesentlich billiger, vom Boden zu »ernten« – trotzdem wird er versuchen, Öle mit dem Prädikat »nativ extra« auf dem Markt zu platzieren – die Gewinnspanne ist ungleich höher. Günstige native Olivenöle aus dem Discounter sind in der Regel rückstandsgeprüft, können aber nicht die gleiche sensorische Qualität aufweisen wie Öle aus handgepflückten Oliven. Beste Qualität kostet Zeit, Arbeit – und Geld.

Die Alternative: Biologisch erzeugte Öle

Eine hohe Gewähr für qualitativ hochwertige Öle bieten nur Produzenten, die sich gesetzlichen und z. T. darüber hinaus freiwilligen Qualitätsstandards unterwerfen, wie z. B. Anbieter von Ölen aus kontrolliert-biologischem Anbau (kbA). Verschiedene Verbände verpflichten sich strengen Kontrollen, die weit über gesetzliche Anforderungen hinaus gehen. Bei diesen Produkten spiegelt der Preis den wirklichen Wert des Produktes wieder, und der wird manche an Discounterpreise Gewöhnte schlucken lassen. Sicher kämpfen auch Produkte aus kbA mit »Altlasten« (z. B. Böden, auf denen frühere chemische Sünden noch nicht »verjährt« sind), stellen aber dennoch die einzige Alternative zu noch höher belasteten, konventionell erzeugten Produkten dar. Es ist tatsächlich so, dass Ölpflanzen vor allem öllösliche Pflanzenschutzmittel aus dem Boden binden und daher besonders stark belastet sind. Stichproben verschiedener Kontrollinstanzen belegen seit Jahren die hohe Qualität von Bioprodukten.

Unabhängig davon sind Qualitätsparameter, die sich aus der Saat, deren Lagerung, Frische, aus der Kompetenz der Ölmühle ergeben – und diese Faktoren können auch Bio-Öle betreffen. Das Prädikat »Bio« garantiert eine Rückverfolgung der Herkunft des Öls, jedoch nicht, dass es nicht erhöhte POZ- oder Säurewerte aufweist, weil Saat oder Produktion nicht optimale Qualität aufwiesen. Das heißt konkret: Bio-Öle bedeuten nicht zwingend beste Produktqualität. Auch bei Bio-Ölen sollten Sie – wenn Sie die Kompetenz besitzen – aussagekräftige Zertifikate nutzen, um sich von der Qualität der Ware zu überzeugen.

Food Grade, Pharma Grade, Cosmetic Grade?

In Onlineshops findet sich bisweilen eine Information über Öle (teilweise auch über andere Rohstoffe wie z. B. Glycerin usw.), die einen bestimmten Anforderungs-Standard an das Produkte beschreibt: »Lebensmittelqualität« lesen wir, »Pharmazeutische Qualität« oder »Kosmetische Qualität«, auch die englischen Termini Food Grade und Pharma Grade sind üblich. Diese Klassifizierung weckt schnell den Eindruck, dass es sich um verschiedene Wertigkeiten an Produkten handeln muss, je nachdem welche Qualität angeboten wird. Für alle gilt, dass es gesetzliche Anforderungen und Definitionen bezüglich bestimmter Parameter, wie Höchstgrenzen an verschiedene Kontaminationen mit Bakterien, Hefen, Keimen oder die konkrete Zusammensetzung eines Produkts gibt.

Einige Beispiele sollen dies deutlich machen; beginnen wir mit dem Parameter »Inhaltsstoffe«:
In den verschiedenen Ländern sind Herstellungsverfahren, Methoden zur Qualitätskontrolle und -prüfung, Lagerungsvorschriften usw. in Arzneibüchern gesetzlich festgelegt. In Arzneibüchern werden u. a. Monographien von Arzneimitteln und Ausgangsstoffen gesammelt. In Deutschland gibt es unter anderem das deutsche Arzneibuch (DAB), das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur., das bedeutet »Pharmacopoea Europaea«) und das Homöopathische Arzneibuch (HAB), die auf Grundlage des Arzneimittelgesetzes existieren; daneben gibt es natürlich auch außereuropäische Pharmacopöen, wie das amerikanische Arzneibuch, USP (U.S. Pharmacopeia). Wenn Sie raffiniertes Mandelöl nach USP-Standard kaufen, haben sie vermutlich kein reines Mandelöl in der Flasche, sondern eine Pressung aus so genanntem »Bruch« aus Mandel-, Aprikosen- und anderen Kernen (der noch nicht einmal deklariert sein muss) – im Gegensatz zu Mandelöl nach DAB oder Ph.Eu., das rein sein muss und sogar auf Verschnitt mit Fremd-Bruch geprüft wird (allerdings ist dort der Zusatz antioxidativ wirkender Substanzen gestattet).

Kaufen Sie kosmetische Qualitäten von Ölen, ist (wie bereits oben beschrieben) möglich, dass sie einen Verschnitt mit anderen Ölen erhalten – leider oft ohne Deklaration (wobei ein seriöser Anbieter das immer deklarieren sollte).

Bekannt ist das Beispiel des Rosenwassers nach DAB, das – anders als man denken würde – nicht aus Wasser und echtem ätherischen Rosenöl besteht, sondern teilweise aus synthetischen Ölen bestehen darf. Auf der anderen Seite sind pharmazeutische Produkte auf bestimmte Gehalte an Wirkstoffen standardisiert. So weist ein Borretschsamenöl nach DAB einen Mindestgehalt an γ-Linolensäure (GLA) auf. In der Regel gibt es nur Anhaltswerte, innerhalb denen sich bestimmte Fettsäuren bewegen – Sicherheit gäbe da nur eine Analyse des konkreten Öls bzw. der Charge.

Ein anderer Parameter ist die Höchstgrenze an Kontaminationen mit verschiedenen unerwünschten Substanzen. Auch hier gelten gesetzlich vorgeschriebene Regelungen. In den überwiegenden Fällen ist die pharmazeutische Qualität eine mit hoher Reinheit – dies muss aber nicht für alle Substanzen gelten. So kann eine Kontamination mit einem Stoff, eben weil er therapeutisch nur vorübergehend Hautkontakt erhält, im pharmazeutischen Kontext geduldet werden (auch weil hier Chancen und Risiken abgewägt werden), während der in der Regel langfristige Einsatz als Lebensmittel dies verbietet.

Heike

Fazit

Bevorzugen Sie beim Kauf von Ölen solche aus kontrolliert-biologischem Anbau mit dem Bio-Siegel und dem Zusatz »nativ«/»kalt gepresst«. Leichte (!) Trübungen des Öls, ein sortentypischer Geruch und eine entsprechend intensivere Färbung sind eher Zeichen für seine Qualität und Naturbelassenheit. Während der Welt-Ölmarkt im Wesentlichen durch eine Handvoll Großkonzerne dominiert wird, die auf Gewinnmaximierung zielen, sind es gerade kleinere Ölmühlen, die ungewöhnliche und qualitativ hochwertige Produkte anbieten.

Wir müssen uns jedoch bewusst machen: Gutes Öl kann nicht billig sein. Gutes Öl erfordert ein hohes Maß an Handarbeit und sorgfältige Verarbeitung – dies bedeutet auch: Kleine Chargen und damit höhere Preise. Kleinere Betriebe können auf Dauer nur überleben, wenn sie für ihre Arbeit und ihre Produkte angemessen bezahlt werden.

Ich denke: Auf die Mengen bezogen, die wir für unsere Kosmetika benötigen, sind die Preise selbst für hochwertigste Cremes und Emulsionen dennoch gering. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und gerechnet: Mit den teuersten Zutaten kosten mich 50 ml Luxuscreme kaum 5 Euro, die »normalen« Emulsionen liegen bei etwa 2–3 Euro pro Tiegel. Daher gilt meine Empfehlung: Lieber nur zwei hochwertige Öle kaufen als eine Sammlung günstig erworbener »kaltgepresster« Öle, bei dem einen der Verstand bereits sagt, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann.

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