Öltropfen in Wasser

Fett- oder Wasserphase?

Dossier »Emulsionen herstellen« Emulgatoren-Special Teil 3

Wenn Sie Ihre Kosmetik selbst herstellen, werden Ihnen online und in Sachbüchern regelmäßig zwei Begriffe begegnen: Fettphase und Wasserphase. In meinem Erfahrungsaustausch mit anderen Selbstrührern bin ich des öfteren mit der Frage konfrontiert, zu welcher Phase denn nun Rohstoff X oder Y zugeordnet werden müsse. An dieser Stelle möchte ich eine Antwort versuchen.

Es wird Sie möglicherweise erstaunen, aber in kosmetischen Rahmenrezepturen der Industrie spielen diese Begrifflichkeiten keine Rolle. Diese ordnen Rohstoffe gemäß ihrer Abfolge im Produktionsprozess einzelnen, nicht näher benannten »Phasen« zu, die in der Regel durch Buchstaben (A, B, C usw.) gekennzeichnet werden. Die Kombination von Substanzen innerhalb dieser Phasen folgt dem Ziel, sie optimal zu verarbeiten, konkret, ihre Löslichkeiten, pH-wert- und temperaturabhängigen Eigenschaften zu berücksichtigen. Als charakteristierende Parameter finden wir in diesen Rahmenrezepturen für gewöhnlich den pH-Wert des Endprodukts, das Erscheinungsbild (z. B. »white emulsion«, »ivory cream« oder »clear solution«) und die Viskosität. Sie vermissen als Angabe die Höhe der Fettphase? Sie werden diese Angabe nicht finden. Auch eine Wasserphase als solche existiert nicht: Wasser ist alles, was zu 100 % fehlt.

Die Fettphase der Hobbythek®

Im Hobbythek-Konzept hat der Begriff »Fettphase« eine ganz spezifische Bedeutung. Er kennzeichnet alle Öle, Buttern, Wachse und anderen fettartigen Stoffe, die auf Vorrat zusammengeschmolzen werden und von denen eine kleine Menge entnommen wird, um z. B. eine Creme herzustellen. Chemisch-physikalisch betrachtet ist dies vollkommen richtig, denn hier kennzeichnet der Begriff die Zugehörigkeit eines Rohstoffs gemäß seiner Löslichkeit.

Verarbeitungstechnisch stoßen wir jedoch auf ein Problem: Was ist mit Ölen und fettartigen Stoffen, die temperatursensibel sind und denen wir ein zweifaches Aufschmelzen (einmal bei der Herstellung der HT-Fettphase und einmal beim erneuten Aufschmelzen im Rahmen der Emulsionserzeugung) nicht zumuten wollen? Tocopherol ist ein solcher Stoff, chemisch betrachtet ein Lipid, das bevorzugt unter 50 °C verarbeitet wird. Auch hochungesättigte fette Öle geben viele Selbstrührer lieber bei Handwärme hinzu oder ergänzen sie in die kalte Emulsion. Hinzu kommt, dass den wenigsten der Lipidcharakter von Tocopherolen und Tocotrienolen bekannt sein dürfte; sie werden als Wirkstoffe wahrgenommen. Die Fettphase der Hobbythek entspricht nicht dem, was viele Selbstrührer heute damit assoziieren. Wie also können wir mit diesem Begriff umgehen?

Die Fettphase als Ausgang der Rezepturplanung

Nun, ich kann Ihnen zumindest sagen, wie ich mit dieser Terminologie umgehe: Ich plane meine Emulsionen von der Fettphase aus, und das sind in meinem Konzept alle fetten Öle, Buttern, Wachse und aus Fetten isolierten und damit fettlöslichen Lipide wie Phytosteryl Macadamiate, Avocadin® und vergleichbare Handelsprodukte, Lanolin und Wollwachsalkohol, Gamma-Oryzanol, Ceramide und Squalan. Auch hochungesättigte, wie Wirkstoffe dosierte fette Öle zähle ich dazu. Der Grund ist einfach: Sie alle zusammen prägen den kosmetischen Charakter einer Emulsion wie keine andere Ingredienz. Zu ihnen gehören auch fettbasierte Emulgatoren. In diesem Kontext ist es für mich sinnvoll, die Höhe der Fettphase als konkreten Zahlenwert zu kennen. Zusammen mit der Kenntnis über die Zusammensetzung der Fettphase erlaubt mir meine Erfahrung eine gute Einschätzung über die kosmetischen Eigenschaften (z. B. die Haptik, den Grad der Rückfettung, der spürbaren Filmbildung und den Okklusionsgrad) des Endprodukts. 

Erst danach plane ich ergänzende, die Kernwirkung eines kosmetischen Produkts unterstützenden Wirk-, Hilfs- und Zusatzstoffe. Der Rest auf 100 % ist dann einfach … Wasser. Tatsächlich spielt es für mich in diesem Kontext keine weitere Rolle, die Zuordnung z. B. von Tocopherol, Peelingkörpern, Erden, Pigmenten usw. theoretisch zu erörtern. Ich erläutere dies gerne am Beispiel »Tocopherol«: Auch wenn Tocopherol fettlöslich ist, ist es verarbeitungstechnisch und von seiner Dosierung her ein Rohstoff, der als Wirkstoff fungiert.

Am einfachsten geht’s so: Planen Sie Emulsionen von der Fettphase aus. Dann überlegen Sie sich, welche und wieviele Wirk- und Zusatzstoffe sie benötigen – der Rest ist Wasser. So einfach ist das! Exakt so arbeiten übrigens auch meine Online-Rezepte-Rechner:

Umsetzung im Online-Rezepte-Rechner

In meinem Rezepte-Rechner geben Sie alle gewünschten Ingredienzien in Gramm oder Prozent ein, der Rest wird automatisch als »Wasser« berechnet, eben ad 100. Dort sehen Sie auch, dass ich Felder für Öle, Buttern, Wachse (einschließlich Wirkstofföle) sowie für Emulgatoren, Koemulgatoren und Konsistenzgeber zu einer »Fettphase« zusammenfasse und Wirk-, Hilfs- und Zusatzstoffe – zusammen mit dem »Rest auf 100 %« zu einer »Wasserphase« addiere. Unten sehen Sie das Ergebnis meiner exemplarischen Eingaben für 50 g einer Formulierung für eine »Mandelcreme«. Der verfügbare Rest auf 100 % (hier 50 g Creme) wird automatisch als »Wasser« berechnet:

Wasserphase der Mandelcreme berechnet
Heike

Rühren Sie gelassen. Haben Sie die Zusammensetzung und Höhe aller Fette im Blick (damit Sie die Charakteristik Ihres Kosmetikums einschätzen können) und die Löslichkeit der Stoffe (damit Sie sie optimal verarbeiten können). Daraus ergeben sich verarbeitungstechnisch sinnvolle Phasen. Mehr Theorie benötigt unsere Praxis meines Erachtens nicht.

Heike
Heike Käser | OLIONATURA®

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